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Smart City of Bristol, UK
Laura Puttkamer22. Januar 20245 min read

Stadtporträt: Smart City Bristol

Bristol, eine Stadt mit fast einer halben Million Einwohner*innen im Südwesten Englands, war die erste britische Stadt, die 2015 zur Grünen Hauptstadt Europas ernannt wurde. Die Wirtschaft der modernen Stadt basiert auf kreativen Technologien, Elektronik und Luft- und Raumfahrtindustrie. Der ehemalige Hafen im Stadtzentrum ist heute ein kreatives Zentrum, das für seine entspannte, lebendige Atmosphäre bekannt ist. Außerdem ist Bristol berühmt für die elegante Clifton Suspension Bridge und die Straßenkunst von Banksy. Und die Stadt ist begehbar, grün und intelligent - was kann man daraus lernen? 

 

Menschen statt Technologie im Mittelpunkt  

Die Stadt ist der Ansicht, dass ihr Erfolg auf dem Weg zur Smart City auf den Menschen und nicht (nur) auf Technologie beruht. Der Public-Private-People-Ansatz bezieht immer die Bevölkerung mit ein. Mit Projekten wie der intelligenten Verbrauchsmessung gelingt es Bristol, Technologie zu nutzen, um das Leben der Bürger*innen spürbar zu verbessern. Ein innovatives, offenes Datenportal macht es einfach, sich von den Bemühungen der Stadt inspirieren zu lassen und ihre Fortschritte zu verfolgen. Und das intelligente Stromnetz in Verbindung mit der Förderung von Elektrofahrzeugen baut auf den Stärken der Stadt in der Mikroelektronik und den digitalen Unternehmen auf.  

Die Stadt will intelligente Technologien nutzen, um ihre CO2-Emissionen zu senken. Bis 2020 sind die Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 2005 um über 40 % gesunken, womit die Stadt ihr eigenes Zwischenziel übertreffen konnte. Ein Großteil der Arbeit von Bristol in diesem Bereich basiert auf dem Smart City Bristol Report, der 2011 vom Stadtrat in Auftrag gegeben und vom britischen Ministerium für Energie und Klimawandel finanziert wurde. Als eine der fortschrittlichsten Smart Cities im Vereinigten Königreich hat Bristol schon früh auf intelligente Technologien gesetzt und sich auf die Widerstandsfähigkeit konzentriert. Quantifizierbare Ziele und qualitative Maßnahmen wie der jährliche Bericht des Bürgermeisters zur Lage der Stadt, eine regelmäßige Umfrage zur Lebensqualität und andere öffentliche Konsultationen haben dazu beigetragen, die Ziele aufrechtzuerhalten. 2015 wurde Bristol für ein Jahr zur Grünen Hauptstadt Europas ernannt und nutzte die Gelegenheit, um seine Erfahrungen als Innovationszentrum im Bereich der Umwelttechnologie weiter zu fördern und auszubauen. 

 

Die Stadt als Labor für Pilotprojekte 

Das Smart-City-Programm von Bristol konzentriert sich auf zwei Ziele: die Verringerung der CO2-Emissionen und die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Stadtplanung durch innovative Projekte. Schon jetzt ist die Stadt die energie- und abfalleffizienteste britische Großstadt. Ihr Programm zielt darauf ab, Einzelpersonen und Gemeinden in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen, lokale Entscheidungsprozesse zu unterstützen und lokale Einrichtungen zu schützen. Die Stadt arbeitet mit lokalen Unternehmen und Start-ups in Bereichen wie Mikroelektronik und Umwelttechnologie sowie mit Kreativunternehmen zusammen. Ein erfolgreiches Projekt ist das Bristol Living Lab in Knowle West, in dem eine Gruppe von Menschen an der Entwicklung und Bewertung von Technologien beteiligt ist. 

Als Teil des Erbes der Grünen Hauptstadt Europas hat die Stadt mehrere Initiativen ins Leben gerufen, wie etwa eine jährliche Auszeichnung für die beste neue saubere Technologie (den Bristol Prize), die dazu beitragen wird, Lösungen für Städte in der ganzen Welt zu finden; ein Programm für nachhaltiges Leben in britischen Schulen, um Millionen von Kindern über den Klimawandel und die Rolle der Städte aufzuklären; und ein internationales Festival für saubere Technologieunternehmen in Bristol.

Der Grass Roots Catalyst Fund ist ein weiteres interessantes Projekt, mit dem Initiativen für ein nachhaltiges Leben in der Stadt ins Leben gerufen und entwickelt werden sollen, die dann auf Städte in der ganzen Welt übertragen werden können. 

 
Das Potential von Daten 

Bristol ist ein gutes Beispiel dafür, wie man das Potential von Daten nutzen kann, ohne das Interesse der Bevölkerung dem technologischen Fortschritt zu opfern. Im Gegenteil, die Stadt nutzt Daten, um beispielsweise Feuchtigkeit in Wohnungen zu erkennen oder sicherzustellen, dass Partygänger*innen im Hafengebiet nicht betrunken ins Wasser fallen. Zwischen 2012 und 2017 sind auf diese Weise 31 Menschen ums Leben gekommen. Gemeinsam mit der University of Bristol hat die Stadtverwaltung ein Pilotprojekt entwickelt, bei dem wärmeempfindliche Kameras installiert werden, die mit dem 5G-Netz verbunden sind und die Notdienste alarmieren, wenn etwas Ungewöhnliches angezeigt wird. In den ersten Monaten hat dieses Pilotprojekt bereits zwei Menschenleben gerettet. Andere Universitätsstädte mit Wasserwegen erwägen nun eine ähnliche Lösung.  

Bristol verfügt auch über ein Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetz für den Anschluss intelligenter Verkehrsampeln. Bei polizeilichen oder gesundheitlichen Notfällen können diese Ampeln die Reaktionszeiten und die Sicherheit verbessern. Zugegeben, die Stadtverwaltung von Bristol hatte es relativ leicht, das Glasfasernetz zu installieren, indem sie unterirdische Rohre eines alten Kabelfernsehnetzes nutzte, was die Installation wesentlich erschwinglicher und einfacher machte. Aber das kontinuierliche Engagement für Konnektivität und Datenerfassung ist dennoch etwas, von dem man lernen kann.  

In einem umgebauten Planetarium, dem „Data Dome“, (siehe Youtube Video) werden alle Big Data der Stadt auf einem großen Bildschirm visualisiert. Sie sind auch als offene Daten kostenlos zugänglich.

Wichtig ist, dass es Bristol gelungen ist, Projekte aus der Pilotphase in die Praxis zu überführen, insbesondere nach der Förderung durch die Grüne Hauptstadt Europas. Durch die Einbindung von Pilotprojekten und deren Nachfolgeprojekten in eine breitere Strategie und die Konzentration auf Skalierbarkeit zeigt Bristol, dass es möglich ist, mit Pilotprojekten eine messbare Wirkung zu erzielen. 

 

CO2-Neutralität bis 2050 angestrebt 

Bis 2050 will die Stadt Bristol kohlenstoffneutral sein. Im Jahr 2015 gründete sie ihr eigenes Energieunternehmen Bristol Energy, das schon bald einen Windpark entwickelte und dazu beitrug, die Kohlenstoffemissionen zu senken. Neue Anlagen haben beispielsweise dazu beigetragen, die Emissionen bei der Straßenbeleuchtung zu senken, und Biomassekessel sowie Solarpaneele auf oder um gemeindeeigene Gebäude unterstützen die Bemühungen um mehr erneuerbare Energien. Mit einem Wärmenetz aus unterirdischen Leitungen im Stadtzentrum hofft Bristol, mehr kohlenstoffarme Wärme und Energie bereitstellen zu können, und plant, diese Pilotprojekte auf andere Stadtteile auszuweiten.  

Darüber hinaus stellt der Bristol Community Energy Fund Startkapital, Zuschüsse und Darlehen für kommunale Projekte zur Verfügung, die sich auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien konzentrieren. Und gemeinsam mit den Städten Florenz und San Sebastian setzt sich Bristol für „citizen sensing“ ein, einen Ansatz, bei dem die Bürger*innen Luftqualitäts- und Energieprobleme melden und Projekte entwickeln, um so gemeinsame Probleme zu überwachen und die Anwohner*innen einzubeziehen. Zu diesem Ansatz gehören Projekte zu Feuchtigkeit und Nässe, aber auch zur Beobachtung von Gender-Ungleichheiten.  

Bislang hat Bristol mit seiner Smart-City-Strategie Tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen und eine vielversprechende Grundlage für die Stadt der Zukunft gelegt, die emissionsarm oder emissionsfrei und nachhaltiger ist. Außerdem zeigt die Stadt, wie man die Kraft der Daten und der Bevölkerung nutzen kann - wir sind gespannt, was sich Bristol als Nächstes einfallen lässt! 
 


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Laura Puttkamer

Laura ist eine Stadtjournalistin, die sich auf inspirierende Geschichten von Lösungsansätzen aus der ganzen Welt konzentriert. Sie hat einen MSc in Global Urban Development und lebt derzeit in London.

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